|
Dies ist eine Landschaft, die uns etwas zu erzählen hat. Hier sind auf knappem
Raum Elemente aus der ganzen Schweiz zu finden, mit Ausnahme vielleicht des Tessins.
Unser Startort Riedtwil zum Beispiel liegt im Unteremmental. Steigt man aus dem Bus
beim Bahnhof, befindet man sich in der typischen Hügellandschaft, wie sie Jeremias
Gotthelf und Simon Gfeller beschrieben.
Regenhalde im Sonnenschein
Von der Bahnstation Riedtwil - Seeberg aus führt der Wanderweg zuerst auf der
Westseite der Bahnlinie dem Flüsschen Önz entlang nach Norden. Lebhafter
Betrieb herrscht auf dem Schienenstrang; es ist die Hauptachse St. Gallen - Zürich
- Bern - Genf. Die Kantonsstrasse, die parallel zur Eisenbahn verläuft, wird weniger
stark befahren. Der Durchgangsverkehr rollt acht Kilometer weiter im Westen auf der
Autobahn. Und dazwischen liegt die idyllische Insel von Steinhof.
Die Idylle will verdient werden. Auf uns wartet der einzige Anstieg des Tages. Hundert
Höhenmeter sind zu überwinden. «Rägenhaulen», also Regenhalde,
heisst die wetterexponierte Flanke des Hügels von Steinhof. Wenn wir unterwegs
sind, scheint natürlich die Sonne. Aber vielleicht ist im Wald der schwere Boden
vom letzten Frühlingsregen noch feucht. Wer die Wanderung mit Stoffschühlein
angetreten hat, ist selbst schuld. Bevor uns der Wald aufnimmt, noch ein Blick zurück.
Wie konnte ein so bescheidenes Gewässer wie die Önz ein derart breites Tal
schaffen? Hier stossen wir auf ein Thema, das uns auch später noch beschäftigen
wird: die Eiszeit. Vor mehr als 10'000 Jahren war das Klima deutlich kälter als
heute. Aus den Alpen stiessen zu wiederholten Malen Gletscher bis weit ins Mittelland
vor. Jetzt sehen wir ein solches Andenken an die Eiszeit: Das Tal der Önz wurde
beim Abschmelzen der Gletscher durch reissende Schmelzwasserströme ins damals
noch unwirtliche und kahle Gelände gegraben. Welch ein Kontrast zur heute im Sonnenlicht
strahlenden, frühlingsgrünen Landschaft!
Schwergewichtige Gäste aus dem Wallis
Eine Viertelstunde später haben wir die Anhöhe von Steinhof erreicht. Das
rot-weisse Kantonswappen auf dem Wanderwegzeichen hat den Berner Bären abgelöst
und zeigt, dass wir uns nun im Solothurnischen befinden. Trotz seiner isolierten Lage
ist der Weiler Steinhof seiner Riesenfindlinge wegen bekannt geworden. Wie schlafende
Ungetüme aus der Urzeit liegen sie da, diese Zeugen der Eiszeit. Woher die Steinblöcke
wohl stammen mögen, die bei der Gletscherschmelze auf aussichtsreicher Anhöhe
liegenblieben? Am Südhorizont zeigt sich, bei klarem Wetter wunderschön zu
erkennen, das Panorama der Berner Alpen mit dem «Dreigestirn» Eiger, Mönch
und Jungfrau. Ob die Steine von Steinhof ursprünglich von dorther stammen? Nein,
die Geologen zeichnen ein anderes Bild. Gesteinsuntersuchungen haben erwiesen, dass
die Riesenfindlinge, die da vor uns aufragen, aus dem Wallis kommen. Herantransportiert
hat sie der Rhonegletscher, zur Eiszeit der mit Abstand grösste Gletscher der
Schweiz. Über dem heutigen - damals natürlich zugefrorenen - Genfersee bog
er nach Nordosten und bedeckte das ganze Mittelland bis in die Gegend von Wangen an
der Aare. Dort, etwa zehn Kilometer nördlich von unserem Standort, sind seine
Endmoränenwälle noch deutlich sichtbar.
Die Findlingsgruppe von Steinhof bildet einen idealen Rastplatz. Kinder und die, die
ihre Kindheit noch nicht ganz abstreifen konnten, werden der Versuchung kaum widerstehen
können, ihre Kletterkünste an den hierher verschleppten Walliser Felsbruchstücken
auszuprobieren. Nicht ganz leicht zu bezwingen ist die Grosse Fluh, mit 1200 Kubikmetern
Rauminhalt und 3500 Tonnen Gewicht der grösste Findling im ganzen Mittelland.
Woher die kleinen Kinder kommen
Beide Brocken, die auf dem Rücken des Rhonegletschers eine Reise von nahezu 200
Kilometern hinter sich gebracht hatten, spielen in der Volkskunde eine Rolle als Kindlisteine.
Früher erzählte man sich in dieser Gegend, die Säuglinge würden
unter Felsblöcken wachsen und müssten dann, wenn die Zeit gekommen sei, von
den Müttern hervorgegraben werden - eine Erklärung, die mindestens so originell
ist wie jene vom Klapperstorch.
Möglicherweise bewahrte dieser Volksglaube die Riesenfindlinge bei Steinhof vor
dem Verschwinden. Im letzten Jahrhundert wurden nämlich überall im Mittelland
zahllose Blöcke in Stücke gesprengt; daraus gewann man Baumate-rial, und
gleichzeitig kam man zu neuem Kulturland. Das Verschwinden dieser Eiszeitzeugen gab
den Anstoss zu ersten naturschützerischen Aktionen. Heute sind die meisten Findlinge
unter Schutz gestellt, so auch die bemerkenswerten Blöcke an unserer Wanderroute.
Die heute rund hundert Seelen zählende Gemeinde Steinhof kam 1466 mit der Herrschaft
Äschi zu Solothurn. Dort ist sie seither geblieben. Während die bernischen
Unteremmentaler und Oberaargauer ringsum bei der Reformation von 1528 zum protestantischen
Glauben übertraten, blieben die «Insulaner» von Steinhof ihrer katholischen
Konfession treu. Davon zeugt die Innenausstattung des schmucken Kirchleins, in dem
bis weit in den Frühling hinein Winterkühle herrscht.
In Steinhof spricht man einen Dialekt, der sich in Einzelheiten von der Umgangssprache
der Nachbardörfer unterscheidet. Dies ist offenbar eine Folge der Zugehörigkeit
zu einem anderen Kanton, aber auch der isolierten Lage auf dem aussichtsreichen Plateau
zuzuschreiben. Auf ihre Riesenfindlinge sind die Einwohnerinnen und Einwohner stolz.
Burgäschisee
Weiter geht es zum Burgäschisee, anderthalb Kilometer weiter im Westen. Das nahezu
runde Gewässer, von der Kantonsgrenze entzweigeschnitten, zog in vorgeschichtlicher
Zeit Pfahlbauer an. Reste ihrer Ufersiedlungen samt aufgefundenen Waffen und Geräten
erzählen vom einfachen, naturverbundenen Dasein unserer Vorfahren. Der Burgäschisee
ist ebenfalls ein Andenken an die Eiszeit. Als der Rhonegletscher zurückschmolz,
blieb hier eine Linse von Toteis liegen. Schliesslich taute auch sie weg, und die Vertiefung
füllte sich mit Wasser. Am Burgäschisee finden wir einen schönen Rastplatz
und nicht weit davon das Fischlokal "Seeblick am Burgäschisee" für
unsere Mittagspause.
Restaurant:Seeblick
Largiader Bruno (-Stampfli)
Hauptstr. 26
4556 Aeschi SO
Tel. *062 961 11 65
Anschliessend führt die Route dem See entlang, durch Wälder und Frühlingsmatten
und an den frisch bestellten Äcker vorbei. Bei den behäbigen Einzelbauernhöfen
begrüssen uns die Berner Sennenhunden laut und freudig. Das solothurnische Dorf
Oekingen lassen wir links liegen und folgen entlang dem nicht minder romantischen Flüsschen
Ösch.Im Dörfchen Subingen erwartet uns der Bus Richtung Solothurn.
|