Ilanz ist Ausgangspunkt zweier Postautolinien in die rechtsseitigen Berg-Täler:
die Val Lumnezia, wo romanisch gesprochen wird, und das Valsertal mit den deutschsprachigen
Gemeinden, die politisch zur Val Lumnezia gehören. Wir nehmen das Postauto
nach Vals (1'252 m). Im Gegensatz zu Obersaxen ist Vals eine rheinwaldische Walserkolonie.
Im Bündner Bergdorf Vals ist vieles in seiner Ursprünglichkeit erhalten
geblieben: Die Häuser sind mit Steinplatten gedeckt, die Landwirtschaft des
Tales ist biologisch, Schafe und Geissen dürfen im Tal frei herum spazieren.
Bekannt ist Vals vor allem durch sein Mineralwasser und das Thermalbad.


Wetter heute:

Valsertal
Hätte die Verzweiflung der Bewohner
von Vals vor rund 150 Jahren das Heimatgefühl überwogen so hätten
die Valser als seinerzeit ein gewaltiges Hochwasser drei Viertel des Graubündner
Bergdorfs zerstört hatte, standen die rund 500 Valser vor dem Entschluss,
gemeinsam nach Amerika auszuwandern. Sie überlegten sich's in letzter Minute
anders. Einen sehr eigenen Sinn für's Praktische hatten die Bergdörfler
schon einige Jahrhunderte früher bewiesen. Nachdem über dem Problem,
ob der Ort katholisch bleiben oder reformiert werden sollte, in der Einwohnerversammlung
ein Patt entstanden war, soll der Legende nach ein zufällig des Weges kommender
Hirte befragt worden sein. Dieser gab dem Bewährten den Vorzug, und die Valser
tauschten ihren zur Reformation neigenden Pfarrer zu gegenseitigem Nutz und Frommen
mit einer Nachbargemeinde, deren katholischer Geistlicher sich reformationswilligen
Schäfchen gegenüber sah.
Für unkonventionelle Entschlüsse sind die Valser bis heute gut. Den vor
der Trockenlegung stehenden Kurbetrieb des Örtchens rettete ein Beschluss
der Einwohner, das Thermalbad komplett in gemeindliche Regie zu übernehmen.
Und Anfang der 90-er Jahre bestätigte man den höchst eigenartigen Entwurf
von Peter Zumthor für die neue Therme mit 87%-iger Zustimmung. Dass Zumthor
ein international renommierter Architekt ist, dürfte dabei weniger den Ausschlag
gegeben haben - bestenfalls unter dem Aspekt, dass der grosse Name eine besonders
zahlungskräftige Klientel anlocken würde. Vielmehr korrespondierte der
puristische Entwurf des Basler Architekten wohl perfekt mit dem bemerkenswerten
Individualismus der Valser Bürger.
Deren Realitätssinn trog auch diesmal nicht: Zumthors überaus faszinierende
Felsentherme lockt den Menschentypus "Zuschauer eines internationalen Kulturprogramms
und Abonnent einer Hamburger Wochenzeitung" durch das enge, kurvige Tal hinauf
nach Vals. Designer - Schnickschnack und aufdringlichen Spass - Angebote sucht
man in diesem Badehaus vergebens. Keine Cafeteria, keine Plauderecken, kein Whirlpool
- nur hohe, sehr hohe Wände, zwei grosse und mehrere kleine Thermalbecken
sowie zwei Dampfbäder. Letztere sind, wie auch der Trinkbrunnen, allerdings
ein wenig zu schwarz geraten - allzu leicht rutscht man in den dunklen Zugängen
aus oder kommt neben der Sitzgelegenheit zu Fall, von aufkeimender Klaustrophobie
ganz abgesehen. Das Material für den Bau kam von nebenan: Zumthor ließ
die Therme komplett aus dem in Vals gebrochenen Felsen bauen. Es ist ein überaus
schöner, silbrig-grün schimmernder Stein, den man im Dorf als kunstvoll
geschliffenes Andenken kaufen oder ganz einfach als rauen Bruch vom Boden aufsammeln
kann.
Das Klischee von hinterwäldlerischer Eigenbrötelei widerlegen die Valser
immer wieder durch zukunfts gerichtete Entscheidungen. So ergänzte man den
sommerlichen Tourismus vor einigen Jahren durch ein eigenes Skigebiet am Dachberg,
und als potente Steuerzahler hat man ein Wasserkraftwerk und den in der Schweiz
marktführenden Mineralwasserbetrieb auf dem weitläufigen Gemeindegebiet.
Immerhin konnte Vals damit seine Einwohnerzahl konstant halten - im Gegensatz zu
den anderen Gemeinden talabwärts.
Zu diesen Nachbarn im Val Lumnezia, wie die Region offiziell heisst, haben die
Valser ein gutes Verhältnis. Das versteht sich nicht von selbst. Das Dorf
ist nämlich ein Unikum. Die deutschsprachigen Valser kamen im 12. Jahrhundert
nicht vom Bündner Städtchen Ilanz herauf, um das abgelegene Talende zu
besiedeln, sondern sie gelangten aus dem entfernten Wallis über die Berge
dorthin. Zwangsläufig trafen sie weiter unten auf Bewohner mit älteren
Rechten und einer völlig anderen Muttersprache. Bis heute spricht man in den
talabwärts gelegenen Nachbarorten rätoromanisch - dieses Idiom von knapp
einem Prozent der Schweizer ist seit 1992 vierte Amtssprache des Landes. Die "Romanen"
nahmen es ein wenig übel, dass die Valser sich als erste Fremdsprache ihrer
Kinder für's Italienische entschieden statt für's Rätoromanische.
Es ging ja um die Frage, wie weit man mit der Sprache kommt: bis nach Chur oder
bis nach Sizilien. Man versteht sich aber dennoch, und ein freiwilliger Proporz
ermöglicht es, dass in das Graubündner Kantonsparlament immer auch ein
deutschsprachiges Mitglied geschickt wird, obwohl die Mehrheitsverhältnisse
dies nicht erzwingen.
Die Ansichtskartenlandschaft um Vals herum zeigt die Wunde, die ihr der betriebsame
Steinbruch schlägt, erst auf den zweiten Blick. Die vorherrschende Idylle
wird auch durch den Neubau des Hotels Alpina am Dorfplatz und das vom Volksmund
so genannte "Hundertwasserhaus" nicht getrübt. Die kleine Welt am
Ende des Valser Tals hat etwas geschafft, an dem viele Fremdenverkehrsorte gescheitert
sind: Sich die Segnungen des Tourismus nützlich zu machen, ohne dafür
die Eigenart Preis zugeben.
Wanderroute Zur Wanderroutenkarte
Nach einer Kaffeepause transportiert uns der Wanderbus / Shuttle bis zum Riefewald
auf 1'650 m und erleichtert uns den Aufstieg um 400 m. Doch aller Anfang ist schwer.
Gefordert werden wir nun weitere 200 Höhenmeter in vielen Kehre zu überwinden.
Anschliessend sanft ansteigend geht es weiter in das Tomültal durch schöne
Alpweiden. Entlang dem in das Tal eingebetteten Tomülbach mit seinen schönen
Felsen und Steinen. Kurz vor der Alp Tomül (2'179 m) gibt es einen kurzen
Aufstieg. Dort gönnen wir uns eine kurze Pause. Leider wird die Alp zu dieser
Zeit nicht mehr bewirtschaftet. (Getränke aus dem Rucksack). Sanft ansteigend
geht es nachher weiter auf den Tomülpass (2'412 m). Hier ist unser Mittagshalt
angesagt. Den Weg hierher haben polnische internierte Soldaten gebaut - 1941 steht
in Blockschrift gehauen auf der schlichten Steintafel. Auf dem Tomülpass,
weit hinten im Safiental und auf 2'412 Metern über Meereshöhe, hätte
man eine solche Inschrift nicht unbedingt erwartet. Wir haben einen Ausblick im
Westen auf die Piz-Aul-Kette, im Osten auf die Bergkette zwischen dem Safiental
und dem Schams (Piz d'Anarosa, Schwarzhorn, Gelbhorn). In der zweiten Etappe geht
es Richtung Turahus (1'694 m) wo uns das Postauto erwartet. Gasthaus Turahus 081
647 12 03.
Val Lumnezia
In der Val Lumnezia scheint sich das Zusammenspiel von urtümlicher
Landschaft und daraus erwachsender Architektur unverfälscht bewahren zu können.
Dicht gedrängt stehen die von der Sonne schwarz gebrannten hölzernen
Wohnhäuser und Stallbauten um einen Hauptplatz. Keine Moderne stört das
geschlossene Ortsbild; Neubauten werden an den Dorfrand verbannt. Im Sommer blüht
es in voller Pracht an Häusern, auf Balkonen und in den Gärten. Alljährlich
wird die Lugnezerin mit dem schönsten Blumenschmuck geehrt. Die Berglandwirtschaft
ist immer noch Haupterwerbszweig. Die Betriebe wurden modernisiert und werden meist
von jüngeren Bauernfamilien geführt. Neue Verdienstquellen sucht man
im biologischen Landbau, in der Mutterkuhhaltung und der direkten Vermarktung einheimischer
Produkte. Die Verdienstmöglichkeiten im Tal sind gering. Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe
des Tourismus ermöglichen nur einem kleinen Teil der Bevölkerung einen
gesicherten Erwerb. Daher pendeln täglich viele Einwohner nach Ilanz, Flims,
Domat-Ems und Chur zur Arbeit.